An allen Orten, an denen Menschen zusammenleben, lässt sich immer wieder feststellen: Achtsamkeit und Wertschätzung können dabei helfen, besser mit Krankheit, Ängsten oder Stress umzugehen – und sind dadurch auch für die Pflegebranche interessant. Denn auch die Lebensqualität und das Wohlbefinden von Demenzerkrankten steigen nachweislich, wenn Achtsamkeit und Wertschätzung in Pflegeeinrichtungen auch wirklich gelebt werden. Doch was sind Achtsamkeit und Wertschätzung und wie funktionieren sie eigentlich?
Achtsamkeit ist ein Modewort, das aktuell immer häufiger in der öffentlichen Debatte auftaucht. Wer nach einer treffenden Definition zum Thema sucht, stößt früher oder später auf Jon Kabat-Zinn. Der ehemalige Professor ist vor allem für seine Schulungen zur Achtsamkeitsmeditation bekannt, die Menschen dabei helfen sollen, besser mit Krankheit, Angst oder Stress umzugehen:
Achtsamkeit ist laut Kabat-Zinn „Gewahrsein, das kultiviert wird, indem wir in andauernder und bestimmter Weise aufmerksam sind: mit Absicht, im gegenwärtigen Moment und ohne Beurteilung. Es ist eine von vielen Formen der Meditation, wobei wir unter Meditation Folgendes verstehen können:
1. Unsere Aufmerksamkeit und Energie systematisch zu regulieren,
2. Indem wir die Qualität unserer Erfahrungen beeinflussen und möglicherweise transformieren,
3. Im Dienste der Verwirklichung des ganzen Spektrums unseres Menschseins und
4. Unserer Beziehungen mit anderen und der Welt.”
Nach Kabat-Zinn ist Achtsamkeit also eine besondere Form der Wahrnehmung, mit der wir es schaffen, unsere Umwelt und alles, was darin passiert, wertfrei aufnehmen und in Bezug zu uns selbst setzen können.
Achtsamkeit in der Pflege ist kein Selbstläufer
Doch was bedeutet Achtsamkeit konkret für die Unternehmenskultur eines Pflegediensts wie Sophia? Was bedeutet es für das Pflegeteam? Und wie können wir Rahmenbedingungen schaffen für mehr Achtsamkeit und damit für ein besseres Miteinander?
In erster Linie beginnt die Veränderung in unseren eigenen Köpfen – sowohl in der Führungsetage als auch bei allen Mitarbeitern des Pflegeteams. Jeder Einzelne sollte sich mental darin üben, den anderen dort abzuholen, wo er steht, Empathie zeigen für seine individuellen Bedürfnisse und ihn nur auf einen Weg mitnehmen, der beiden als nachhaltig und sinnvoll erscheinen kann.
Das ist natürlich kein Selbstläufer, sondern erfordert Geduld und Training: Viele Charaktere heißt es zu verstehen. Pflegende stehen damit vor der herausfordernden Aufgabe, Wege zu finden, die für alle einen Mehrwert an Zufriedenheit, Achtsamkeit, Respekt und Wertschätzung bedeuten. Darin liegt ein enormes Potential, sich gegenseitig zu motivieren und eine optimale Leistung zu erbringen zu können – und das bei gleichzeitiger Verbesserung der Zufriedenheit und Wohlbefinden unter allen Beteiligten im ganzen Unternehmen.
Die Voraussetzung für ein besseres Miteinander ist dabei besonders die Selbstreflektion und der bewusste achtsame Umgang mit Stresssituationen. Ob beruflich oder privat spielt kein Rolle, denn wenn ich etwas mit dem Herzen tue und mich wohl fühle, bei dem was ich tun darf, dann ist die Zufriedenheit mit sich selbst und die Aufmerksamkeit für den anderen eine angenehme Konsequenz.
Gewaltfrei und wertschätzend kommunizieren
Doch wie können wir unsere Wünsche und Vorstellungen artikulieren. Wie kommunizieren wir wertschätzend miteinander? Gewaltfreie Kommunikation ist ein Weg, wertschätzend zu kommunizieren. Folgende Aspekte gilt es dabei zu beachten:
- Man beobachtet eine Situation, etwas so wie sie eine Kamera aufgenommen hätte, ohne Interpretation und ohne Bewertung des Gesagten oder Gesehenen.
- Dann fühlt man in sich hinein, was das „Gehörte“ oder „Gesehene” mit einem selbst macht und kommuniziert sein Gefühl: z.B. „Ich fühle… Ich empfinde…“
- Dabei geht es insbesondere um Ich-Botschaften, die das eigene Bedürfnis äußern wie z.B. „weil ich brauche…/weil mir wichtig ist..“
- Darauf folgt die Bitte an Andere. Als Faustregel gilt: konkret und positiv formulieren, was man sich vom anderen wünscht oder erhofft – doch natürlich nur solche Dinge, die für den anderen auch erfüllbar sein können.
Gewaltfrei kommunizieren kann man also relativ einfach lernen. Eine wichtige Voraussetzung ist Empathie und Wertschätzung für den Gegenüber und die Situation.
Das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun veranschaulicht die vier Aspekte jedweder Kommunikation. Die vier Ebenen Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehung und Appell werden auch als „vier Seiten einer Nachricht“ bezeichnet. Sie beschreiben also die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten einer Botschaft, je nachdem worauf der Empfänger der Nachricht den oder die Schwerpunkt(e) setzt. Quelle: wikimedia.org
Weitere Voraussetzungen für wertschätzende Kommunikation sind „aktiv zuhören“, „ausreden lassen” und die zentralen Grundhaltungen berücksichtigen:
- Ehrlichkeit (Echtheit)
- Akzeptanz (Achtung, Wärme, Rücksichtnahme)
- Einfühlungsvermögen (Empathie)
Wertschätzend kommunizieren heißt auch, sämtliche Aspekte einer Nachricht zu durchleuten:
- Was ist der Sachinhalt der Botschaft?
- Welchen Beziehungscharakter hat sie?
- Welcher Appell könnte dahinterstecken?
- Welche Selbstauskunft möchte mir der Gesprächspartner geben?
Fazit: Achtsamkeit als Motor für Ethik und Wohlbefinden
Achtsamkeit und eine wertschätzende Kommunikation können eine Unternehmenskultur nachhaltig prägen und sowohl das Wohlbefinden des gesamten Pflegeteams als auch das der Klienten beflügeln. Denn sobald wir die Pflegeeinrichtung betreten, durchleben wir tägliche Begegnungen mit Pflegebedürftigen und werden damit mit Situationen konfrontiert, die uns Entscheidungen abverlangen.
Um unsere Pflegepatienten jederzeit aufmerksam, empathisch und fürsorglich zu begleiten, bedarf es manchmal einer sogenannten „inneren Kontemplation”, also einer gewissen Zeit des Innehaltens, in der wir für uns selbst spüren, ob wir auch nach mehreren anstrengenden Momenten immer noch mental in der Lage sind, die für uns und andere „beste Entscheidung” zu treffen.